Die Jod-Lügen

 

Eine Schmähschrift zum Podcast Folge 10 - Wenn Salz, dann Jodsalz: wie wir ausreichend Jod zu uns nehmen - aus der Podcast-Serie „Spitz die Löffel“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 

BMEL - Homepage - Folge 10 – Wenn Salz, dann Jodsalz: wie wir ausreichend Jod zu uns nehmen
 

Von Dr. Timo Böhme, Autor des Buches „Chronik und Kritik zur Jodprophylaxe“ und der Initiative „40 Jahre Jodprophylaxe in Deutschland - Kampagne für Transparenz und Antworten“ 

https://www.openpetition.de/petition/online/40-jahre-jodprophylaxe-in-deutschland-kampagne-fuer-transparenz-und-antworten 

 

Der im Titel genannte Podcast beinhaltet ein Gespräch der Diplom-Ernährungswissenschaftlerin Dr. Ann-Kristin Dorn mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitskreises Jodmangel e.V. Prof. Thomas Remer. 

Auf die Frage, warum Jodsalz nicht verpflichtend eingesetzt wird, antwortet dieser u.a. „Wir wollen keine Zwangsmaßnahmen“. Diese Aussage ist eine blanke Lüge, denn die Jodsalzprophylaxe war de facto von Anfang an als Zwangsjodierung konzipiert. Nach ihrem gesamtdeutschen Start 1989 wurde bereits 1993 mit der Zweite Verordnung zur Änderung der Vorschriften über jodiertes Speisesalz (Drucksache 554-93 des Deutschen Bundesrates) wesentliche Kennzeichnungspflichten für den Jodsalzeinsatz aufgehoben. So wurde die gesonderte Kennzeichnung „Mit jodiertem Speisesalz“ auf den Lebensmittelverpackungen abgeschafft, ebenfalls die Kennzeichnungspflicht für lose unverpackte Ware wie Brot und Brötchen beim Bäcker, Wurstwaren beim Fleischer oder Oliven auf dem Wochenmarkt. Auch die Kennzeichnungspflicht in der Gemeinschaftsverpflegung fiel dieser Verordnung zum Opfer, desgleichen die Kennzeichnungspflicht im Gaststättengewerbe. Mit der gleichzeitigen Änderung der Fleischverordnung wurde der Einsatz von jodiertem Nitritpökelsalz ermöglicht und mit der Änderung der Käseverordnung der Einsatz von jodiertem Speisesalz bei der Herstellung von Käse, welcher nicht gekennzeichnet werden muss. Die erlassenen Regelungen ermöglichten es, den Jodsalzeinsatz für den Verbraucher zum großen Teil „unsichtbar“ zu machen. Dieser Zustand hält bis heute an. 

In den Protokollen des Bundesrates kann man nachlesen, wie diese Verordnung durchgesetzt wurde. Es gab keine Debatte im Plenum des Bundesrates. Die Begründung des Gesundheitsausschusses war inhaltslos und lapidar. Die Jodaufnahme über Lebensmittel und der Bedarf an Jod wurden nicht ansatzweise quantifiziert. Es gab keine Erwähnung einer Jodierung von Tierfuttermitteln und der daraus folgenden substanziellen Erhöhung des Jodgehaltes in Lebensmitteln. Dass die Jodprophylaxe aus zwei Komponenten besteht, deren Mengen sich ergänzen, wurde in krimineller Weise unterschlagen. Zudem feierten die im Bundesgesundheitsamt tätigen Jodprofessoren ihren Coup, wie in der bga-Schrift 3/94 (Notwendigkeit der Jodsalzprophylaxe, Kolloquium am Max von Pettenkofer-Institut) nachzulesen ist. So führte Prof. Rolf Großklaus aus, „Diese Änderung der Vorschriften über jodiertes Speisesalz hat zwar Verbesserungen, aber noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht“ (Er spricht hier über die Zulassung von Jodsalz in der Lebensmittelindustrie und Gemeinschaftsverpflegung 1989 und die Abneigung der Verbraucher sich einer Zwangsmedikation zu unterwerfen). „Als wesentlicher Hinderungsgrund haben sich die Kenntlichmachungsvorschriften erwiesen…“ und er führt dann im Weiteren aus, dass die Zweite Verordnung zur Änderung der Vorschriften über jodiertes Speisesalz diese Hindernisse überwunden hat. Der widerspenstige Verbraucher wurde nun endlich bezwungen und blind gemacht.

Lüge ist aber auch, wenn man in einem öffentlichen Statement wesentliche Fakten zum Thema unterschlägt. So verlieren Frau Dorn und Herr Prof. Remer kein Wort über die Futtermitteljodierung, welche mit der EU-Richtlinie 70/524/EWG bereits im Jahr 1970 zugelassen wurde und Jodgehalte von 40 ppm Jod pro kg Tierfuttermittel ermöglichte. Solche Jodmengen führen zu einem Jodtransfer in tierische Lebensmittel bis zu toxischen Größenordnungen von z.B. 10 mg Jod pro Liter Milch. Sowohl nationale Lebensmittelsicherheitsbehörden wie die französische AFSSA, als auch das zuständige EFSA-Panel, also die Expertenkommission der Europäischen Nahrungsmittelsicherheitsbehörde, drängten daraufhin zu einer Reduzierung des Jodgehaltes in Tierfuttermitteln. 1997 wurde dieser auf 10 mg, 2005 auf 5 mg und in der folgenden Tierernährungspraxis auf 1 mg, also auf ein Vierzigstel des ursprünglichen Wertes gesenkt. Doch auch diese Herangehensweise führt zu hohen Jodwerten in Milch und tierischen Lebensmitteln. So analysierte im Jahr 2017 Stiftung Warentest 18 Milchsorten, wobei Jodgehalte von 110 bis 520 µg pro Liter Milch gefunden wurden. Eingedenk des Milchverbrauches, der laut Deutscher Landwirtschaftsgesellschaft bei ca. 1 bis 1,2 Liter Milch pro Tag und Verbraucher liegt, ist festzustellen, dass die Futtermitteljodierung noch heute weit mehr Jod zur Prophylaxe beiträgt als der Jodsalzeinsatz. 

Somit ist eine weitere Aussage von Prof. Remer im Podcast als Lüge entlarvt. Er behauptet, dass „natürliche“ Lebensmittel keine großen Mengen an Jod enthalten und damit ein zu hoher Wert bei der Jodaufnahme nicht erreicht werden kann. Immerhin bestätigt er aber, dass Jodaufnahmen im mg-Bereich pro Tag schädlich sind.

Um den Verbraucher zum Jodsalzeinsatz zu drängen, wird im Podcast mit Kretinismus, also Verblödung, gedroht. Leider werden dabei auch immer unsere Kinder zur Erpressung eingesetzt. Deren Intelligenz würde leiden, wenn Schwangere nicht genügend Jod aufnähmen. Dieses Argument hofiert regelmäßig den Einsatz von Jodtabletten. Beispielhaft hat aber die französische AFFSA bereits 2005 auf eine potentielle Überversorgung bei Kindern hingewiesen, worauf in Frankreich der Jodsalzeinsatz bei der Lebensmittelherstellung verboten wurde (Ausnahme Backwaren). Kretinismus geht ohnehin auf erbliche Schäden zurück, welche zur Missbildung oder Funktionsstörungen der Schilddrüse führen. Ein jodmangelbedingter Kretinismus sollte bei der aktuellen europäischen Ernährungssituation nahezu ausgeschlossen sein. Durchaus möglich sind aber Schäden durch zu viel Jod.

Weitere Aussagen im Podcast, wie z.B. der Prozentsatz von Lebensmitteln mit Jodsalz im Supermarkt, welcher mit 25-28% angegeben wird, obwohl dies nur die gekennzeichneten Produkte inkludiert, oder die mittlere Aufnahme von nur einem Gramm Jodsalz im Haushalt pro Tag, welche eine statistische Größe sein mag, aber keine Aussage zur individuellen Küchensituation macht und die Zufuhr von Jodsalz in gekauften Lebensmitteln, über jodiertes Nitritpökelsalz in Wurstwaren und den erhöhten Gehalten von Jod in Lebensmitteln tierischen Ursprung ignoriert, sind zumindest als irreführend zu bewerten.

Bürger mit Vorerkrankungen der Schilddrüse wie Überfunktionen, Morbus Basedow und Hashimoto Thyreoiditis, welche höhere Jodaufnahmen vermeiden müssen oder sollten, werden aus der Argumentation komplett ausgeschlossen, obwohl aktuell bis zu 30% der deutschen Bürger Schilddrüsenprobleme haben (Schilddrüsenliga u.a.). 

Dass die Prophylaxe mit zu viel Jod, also über 300 µg pro Tag, die Ursache für Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto u.a. sein kann, wird ebenfalls unterschlagen, obwohl die WHO u.a. spätestens seit 2004 darauf hinweisen. Mit völliger Ignoranz gegenüber diesen Tatsachen wird der Begriff vom „gesunden Jod“ im Podcast mehrfach deutlich eingesetzt und damit die 40 Jahre alte Jodpropaganda völlig undifferenziert und unbeeindruckt von den Ergebnissen aktueller Studien fortgesetzt.

Ich kann dazu nur feststellen: die Gefahr der Verblödung besteht tatsächlich, wenn in Deutschland von offizieller Seite mit einer solch undifferenzierten Angstpropaganda weitergemacht wird. Die Zukunft gehört jedoch den informierten Bürgern, welche über ihre gesundheitlichen Belange selbst entscheiden sollten.